Von unten sieht alles so klein aus

Achtklässler besuchen den Windenergiepark Heidenrod

(Bericht aus der Idsteiner Zeitung vom 17.05.2018 von Von Sascha Kircher)

56 Millionen Euro Baukosten, 199 Meter Höhe bis zur Rotorspitze, 18 Tonnen Gewicht allein für das Maschinenhaus – es sind beeindruckende Zahlen, die den Achtklässlern aus Hünstetten da um die Ohren gehauen werden. 25 Schüler der IGS Wallrabenstein, die derzeit am Projekt „Schüler lesen Zeitung“ der VRM teilnehmen, besuchen am Mittwochvormittag auf Einladung des Energieversorgers Süwag den Windpark Heidenrod. „Wir behandeln in unserer Projektwoche gerade das Thema Energie, da passt das wunderbar“, erklärt Lehrerin Anke Raabe-Fritsch den Zusammenhang. Mit ihrer Kollegin Silke Guse begleitet sie die Gruppe bei dem Trip an die Bäderstraße.

Udo Zindel, der als einer von zwei Geschäftsführern in der Windenergiepark GmbH die Gemeinde Heidenrod vertritt, weiß noch mehr zu erzählen: Er schildert etwa den Werdegang des Projekts von der ersten Idee („Wie kann man die große Waldfläche unserer Gemeinde zum Wohle der Bürger nutzen?“) über die Bürgerbeteiligung („88,2 Prozent stimmten dafür“) und den Bauantrag (18 Leitz-Ordner) bis zum Baubeginn im Juni 2014 anschaulich und auch für technische Laien verständlich. Die Fundamente etwa seien „rapp-zapp“ in wenigen Tagen errichtet worden. Zindel verschweigt auch nicht, dass für den Windpark 8,4 Hektar Wald gerodet – jedoch an anderer Stelle nahezu gleichwertig wieder aufgeforstet – worden seien. „Und wie viel Quadratmeter sind ein Hektar?“, fragt Zindel in die Runde. Erste Schätzungen lassen Mathelehrerin Raabe-Fritsch mit den Augen rollen. Zindel, selbst Heidenroder, räumt ein, dass Windkraft auch in Heidenrod ein „emotionales Thema“ sei, man aber ohne den Windpark und dessen Einnahmen von 800 000 Euro im Jahr die Grundsteuer verdoppeln müsste: eine „unmittelbare Rendite“ für die Bürger, die zu zehn Prozent beteiligt seien.

Nach all der Theorie – für die Aufmerksamkeit werden die Gesamtschüler immerhin mit Äpfeln und Bananen entlohnt – geht es zur Praxis. Windenergieanlage 7 (im Park stehen insgesamt zwölf) wurde eigens abgeschaltet. Normalerweise drehen sich Windräder immer, erklärt Markus Krämer, Kommunalbetreuer bei der Süwag-Netztochter Syna, gerade bei einer Schwachwindanlage wie in Heidenrod, die bei einer Windstärke von 3,1 Metern pro Sekunde („fast windstill“) zu arbeiten anfange. Wenn ein Windrad stillstehe, finde gerade eine Wartung statt, es gebe eine Störung oder es handle sich um den 48-stündlichen „Reset“, bei dem das Maschinenhaus samt Rotoren von selbst auf Nullstellung zurückfahre. Am recht zugigen Mittwochvormittag dürfen Schüler und Lehrerinnen das „Erdgeschoss“ besichtigen und erfahren einiges über Bauweise und Statik der gigantischen Türme. Alle Schüler-Fragen nach einer Fahrt im Aufzug in luftige Höhen muss Zindel indes abschlägig beantworten.

Keine Aufzugfahrt ohne Höhentauglichkeitstest

Für die achtminütige Reise in der Mini-Kabine, die mitunter recht schwankend („wie auf einem Boot“) verlaufe, bedürfe es einer Höhentauglichkeitsuntersuchung und Sicherheitsunterweisung, erklärt Zindel. Lange Gesichter. Obwohl einige Schüler ohnehin Höhenangst haben; das Zehn-Meter-Brett im Schwimmbad sei das höchste der Gefühle. Nur Pascal beweist Courage: „Ich würde gerne mal hochfahren und mich draußen abseilen“, sagt der Achtklässler, der in seiner Freizeit gern klettern geht. Den beiden Wartungstechnikern, die sich mit ihrer Ausrüstung auf den Weg nach oben machen, schaut er fast ein wenig wehmütig hinterher.

Pascals Mitschüler Luca, der am Vortag ein Referat über Elektromobilität gehalten hat, wundert sich noch immer über die gehörten Größenangaben: „Man glaubt von hier unten nicht, dass der Rotor wirklich 60 Meter lang ist“, sagt der Achtklässler und legt den Kopf in den Nacken. Da hilft wohl nur eines: eine entsprechende Ausbildung machen und irgendwann selbst mal hochfahren, um nachzumessen.

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