Schüler diskutieren mit Politikwissenschaftler

(Bericht aus der Idsteiner Zeitung vom 25.06.2021 von Julia Dibiasi)

Der Leiter der hessischen Landeszentrale für politische Bildung diskutiert mit Schülern in Wallrabenstein und erklärt, warum er Greta Thunbergs Grundthese für "gefährlich" hält.

Das haben wir über ein Jahr nicht mehr gehabt, dass alle Schüler der zehnten Klassen zu einer gemeinsamen Veranstaltung in einem Raum sind", sagt die stellvertretende Schulleiterin Pia Desimoni in der Aula der IGS Wallrabenstein. Ihre Worte bilden den Auftakt der Veranstaltung "Aktuelle Herausforderungen der Demokratie: Gesellschaft(en) im Umbruch" im Rahmen der Reihe "Heißer Stuhl" an der Schule. Zu Gast ist diesmal Alexander Jehn, Leiter der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung.

Meinungsvielfalt als "Stärke der Demokratie"

Die Gesellschaft und damit auch die Demokratie seien derzeit mit Problemen konfrontiert, erklärt Jehn zu Beginn seines Vortrags. So fragt er zum Beispiel, wie es um die Meinungsfreiheit in Deutschland wirklich stehe, wenn sich Personen nicht mehr trauten, Meinungen abseits der politischen Norm zu äußern? Am Beispiel Klimaschutz konkretisiert Jehn: "Es geht nicht ohne die Wirtschaft und auch nicht nach dem Motto: Jeder für sich und keiner für alle." Es sei wichtig, in einer Demokratie alle anzuhören. Denn die Stärke der Demokratie bestehe doch gerade darin, andere Meinungen auszuhalten und zu diskutieren. Es gehe darum, Kompromisse zu finden, mit denen alle leben könnten und dafür brauche man "alle an einem Tisch". Dies sei es auch, was Politiker ausmache. So warnt er in diesem Zusammenhang vor Stimmen wie der von Greta Thunberg, die aus seiner Sicht die Kernbotschaft vertrete: "Hört nicht auf die Politiker, hört auf die Wissenschaftler." Das sei gefährlich, denn auch Wissenschaftler verträten letztendlich ihre Interessen. In einer pluralistischen Gesellschaft sei es wichtig, alle Meinungen anzuhören. Das gelte auch für die sozialen Medien, die nicht grundsätzlich schlecht seien, aber es Menschen doch ermöglichten, sich nur noch mit Gleichgesinnten auszutauschen und keine anderen Meinungen mehr hören zu müssen. Es brauche immer eine Beidseitigkeit in der Demokratie, erklärt er weiter und greift das Beispiel Integration auf. Es gehe nicht nur darum, einem Immigranten zu sagen, er solle sich integrieren, sondern man müsse auch umgekehrt fragen: "Was tun wir als Gesellschaft dafür, damit sich andere integrieren können?" So schließt Jehn mit den Worten: "Nur wenn man gemeinsam streitet, kommt man gemeinsam weiter."

Im Anschluss stellt sich der Politikwissenschaftler auf dem "heißen Stuhl" den Fragen der Schüler. Diese reichen von der Problematik, dass Personen im Internet die Möglichkeit haben, in ihrer eigenen "Blase" zu leben bis hin zum Thema Lobbyismus. So fragt ein Schüler, inwiefern Lobbyismus eine ernste Gefahr für die Demokratie darstelle? Aus der Perspektive von Jehn sei die Intransparenz das größte Problem, daher sei ein gewisses Misstrauen immer angebracht. Andererseits könne es bei der Komplexität des demokratischen Systems manchmal vorteilhaft sein, durch Interessenvertreter schneller an Dinge heranzukommen und von deren Einblicken in bestimmte Branchen und Interessen zu profitieren.

Im letzten Teil der Veranstaltung diskutieren die Schüler die Frage, ob das Wahlrecht für 16-Jährige eingeführt werden sollte. Auf der Pro-Seite stehen Argumente wie das frühere Erwachen des politischen Interesses der Jugendlichen und eine verbesserte Möglichkeit, die Meinung der jungen Generation einzubringen. Die Contra-Seite sieht fehlende Erfahrung und mangelnde Ernsthaftigkeit als Probleme. Jehn schließt die Veranstaltung mit dem Plädoyer, dass man mehr darüber sprechen müsse, wie Jugendliche stärker in Themen eingebunden werden könnten, die sie interessierten und in ihre Lebenswelt passten.

Der Vortrag war der vierte Teil der Veranstaltungsreihe "Heißer Stuhl" der IGS Wallrabenstein in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung. Deren Leiter Alexander Jehn ist Schirmherr der Reihe, die sich mit Demokratieerziehung und Gefahren für die Demokratie beschäftigt. Die IGS möchte mit der Reihe den Schülern die Wichtigkeit verdeutlichen, sich in einer Demokratie einzubringen, sie aktiv mitzugestalten und weiterzuentwickeln.

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