"Echt fair"-Ausstellung zur Gewaltprävention
(Bericht aus der Idsteiner Zeitung vom 27.02.2013 von Beke Heeren-Pradt)
Häusliche Gewalt – gehört dieses
Thema in die Schule? Der Rheingau-Taunus-Kreis hat diese Frage mit Ja
beantwortet und die Ausstellung „Echt Fair“, die
sich explizit mit dem Thema häuslicher Gewalt und Gewalt in
der Familie auseinandersetzt, an zwei seiner Schulen geholt. Am Montag
wurde die interaktive Ausstellung, die sich an Kinder und Jugendliche
ab elf Jahren mit pädagogischer Begleitung wendet, in der
Integrierten Gesamtschule Wallrabenstein eröffnet. Eine Woche
steht sie den Hünstetter Schülern und den sie
begleitenden Lehrern zur Verfügung, danach wird sie in der
Niedernhausener Theißtalschule gezeigt.
Wo beginnt Gewalt?
Was ist Gewalt? Wo beginnt sie? Diese Fragen werden an einer der
Stationen der Ausstellung gestellt und die Besucher können
interaktiv Informationen zu Gewaltstatistiken abrufen, sie
können Bilder und Textcollagen einander zuordnen und hinter
vermeintlich heile Fassaden schauen, das Thema Schuldgefühle,
wenn im Elternhaus gewalttätig gestritten wird, wird in einem
Comic erörtert, auf einem
„Gewaltbarometer“ können verschiedene
Grade von Gewalt eingeordnet werden. Dabei geht es um psychische und
physische Gewalt sowohl in der Familie als auch unter Jugendlichen.
Aber auch das Einordnen von Gefühlen wird thematisiert: was
kann jemand tun, wenn er Wut, Angst, Trauer spürt? Welche
Strategien können entwickelt werden, mit den Gefühlen
umzugehen?
„Gewaltprävention ist mittlerweile ein Thema, das in
allen Schulen und in allen Altersstufen immer wieder behandelt
wird“, sagte die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises
Rita Czymai für den Arbeitskreis häusliche Gewalt im
Rheingau-Taunus-Kreis, der sich neben dem Hessischen Netzwerk gegen
Gewalt, dem Polizeipräsidium Westhessen und dem
Weißen Ring dafür eingesetzt hatte, die Ausstellung
zu zeigen. Das Thema häusliche Gewalt jedoch sei bisher in der
Schule ausgespart worden. Zum ersten Mal beschäftige sich eine
Ausstellung wie diese, die von der Berliner Interventionszenrale
für häusliche Gewalt (BIG) ins Leben gerufen wurde,
damit.
Landrat Burkhard Albers, der die Schirmherrschaft für das
Ausstellungsprojekt im Kreis übernommen hat, betonte die
Wichtigkeit des Aspektes, Jugendliche und Kinder zu sensibilisieren
für das Thema, Gewalt definieren und erkennen zu
können, ein Rechtsempfinden zu entwickeln und dabei Unrecht zu
erkennen und Mut zu entwickeln, es auszusprechen.
Robert Schäfer, Polizeipräsident des
Polizeipräsidiums Westhessen berichtete von
erschütternden Statistiken darüber, dass
gegenwärtig noch immer etwa 50 Prozent aller Kinder und
Jugendlichen Gewalterfahrungen machten. Auch Dr. Heidrun Schulze,
Professorin an der Hochschule Rhein-Main, deren Forschungsschwerpunkt
auf dem Thema familialer Gewalt liegt, sprach in ihrem
Einführungsvortrag in Wallrabenstein von der Familie als Ort
mit großem Gewaltpotenzial. Ihr wesentlicher Fokus ist, dass
Kinder, die Gewalt zwischen Elternteilen erleben, ebenso traumatisiert
sind, als wenn sie selbst Gewalt erleiden.
Die Traumatisierung erfolge sowohl durch die Erfahrung selbst als auch
durch die Tatsache, dass nicht darüber gesprochen werde. Die
Schule, so die Professorin, habe für die traumatisierten
Kinder vielfach eine sehr große Bedeutung als Ort der
relativen Ruhe und Sicherheit, die Bezugsperson des Lehrers spiele eine
große Rolle, habe eine von ihr durchgeführte Studie
mit Kindern gezeigt, die Gewalt erfahren hätten.
„Gewalt in der Familie ist nicht privat“, fasste
die Professorin für Sozialwesen ihren engagierten Vortrag
zusammen und appellierte an die entsprechenden öffentlichen
Stellen, Netzwerke aufzubauen und zu fördern, die sich des
Themas annehmen und daran, Kinder und Jugendliche mit Gewalterfahrung
ernst zu nehmen, nicht als abnormal auszuschließen, sondern
ihre Traumatisierung als solche ernst zu nehmen.
Noch bis Freitag ist die Ausstellung in der Aula der IGS Wallrabenstein
zu sehen. Eine Auftaktveranstaltung für Lehrkräfte
schloss sich an die Eröffnung an. Ab Montag, 4. März,
wird die Ausstellung in der Theißtalschule in Niedernhausen
gezeigt.